19.09.2014, Im Rapadalen

Das erste Ziel der heutigen Etappe ist der Berg Ridok. Der Pfad verläuft meist in der Nähe des Ráhpaädno. Doch schon nach kurzer Zeit besteht der Pfad nur noch aus Schlamm und Morast. Auch die angrenzende Grasfläche scheint recht sumpfig zu sein, aber etwas weiter abseits sieht es besser aus. Wir beschliessen, den Pfad für eine Weile zu verlassen und unser Glück abseits des Weges zu versuchen. Eine gute Entscheidung – dieses Mal. Wir überqueren zuerst die Wiese, wobei uns die Trekkingstöcke wieder gute Dienste leisten. Wir prüfen vor jedem Schritt die Tiefe des Bodens und umgehen so die Stellen, an denen wir knietief einsinken würden. Auf den letzten zwei Metern, bevor wir festen Boden erreichen, versinke ich noch knöcheltief im Morast. Für die Schuhe kein Problem, aber meine Trekkinghose wäre spätestens jetzt reif für die Wäsche. Für die restlichen Tage der Tour werde ich nur noch die Regenhose tragen.

Etwa 100 Meter abseits des eigentlichen Pfades kommen wir erstaunlich gut voran. Der Untergrund ist besser und zwischen den Bäumen ist genug Platz zum laufen. Hinter uns sind Skierffe & Nammásj noch gut zu sehen. Nach einer Weile kehren wir wieder auf den ursprünglichen Pfad zurück und passieren den Ridok. Unser nächstes Ziel – der Berg Lulep Spádnek – ist bereits gut sichtbar. Auf dem Weg dahin müssen wir mehrere Bäche queren. Aber aufgrund des sehr trockenen Sommers ist der Wasserstand so niedrig, dass wir ohne Probleme auf die andere Seite kommen. Wir müssen nicht einmal die Schuhe wechseln. Als wir uns einem weiteren Bach nähern, finden wir frische Bärenspuren im Kies. Beim überqueren des Baches stehen wir vor dem Problem, dass in dem hohen Gestrüpp auf der anderen Seite der Verlauf des Pfades nicht zu erkennen ist. Ein paar Meter weiter glauben wir, den Pfad wiedergefunden zu haben und folgen ihm ein Stück. Der Untergrund wird auch hier immer feuchter und schlammiger, das ganze Gebiet ist mit brusthohem Gestrüpp bewachsen. Unser Pfad verliert sich im Buschwerk und endet urplötzlich. Oft findet man in solchen Situationen den richtigen Weg ein paar Meter weiter wieder, also schauen wir uns um und stellen fest, dass wir direkt vor den frischen Hinterlassenschaften eines Bären stehen. Vom einem Pfad ist nichts zu sehen. Anscheinend sind wir nur einem Wildwechsel gefolgt. Also kehren wir um und kämpfen uns durch Schlamm und Gestrüpp zurück zum Bach. Hier suchen wir noch einmal nach dem richtigen Weg.

Wir sehen uns gründlich um und finden einen weiteren Pfad, der in die richtige Richtung zu führen scheint und kommen hier zuerst auch etwas besser voran. Nach einer Weile endet auch dieser Weg im Gestrüpp. Nochmals umkehren erscheint uns wenig sinnvoll, ein anderer Weg war vom Bach aus nicht zu sehen. Grundsätzlich verlaufen kann man sich im Rapadalen kaum. Selbst wenn man den Pfad verliert, ist die Orientierung anhand der umliegenden Berge nicht schwer. Unser Ziel ist auch ohne Pfad in der Ferne gut zu erkennen, also gehen wir weiter und kommen zu einer kleinen Lichtung. Hier stehen wir zum zweiten Mal vor Bärenexkrementen. Auch dieser Haufen ist noch frisch.

Wir müssen weit vom Weg abgekommen sein, aber wir sind uns sicher, dass wir den richtigen Pfad spätestens am Lulep Spádnek wiederfinden werden. Laut Karte schlängelt sich der Weg am Ráhpaädno entlang und führt bis direkt an den Berg heran. Der Berg ist nicht allzu weit entfernt, aber der Weg dahin ist anstrengend und wir kommen nur langsam voran. Dichter Wald und Gestrüpp machen das Vorwärtskommen zu einem kraft- und zeitraubenden Unterfangen. Nur selten gibt es ein Stück offenes Gelände. Unterwegs stoßen wir ein drittes Mal auf frische Bärenexkremente. Je näher wir dem Berg kommen, desto schwieriger und hügeliger wird das Gelände. Wir haben die Wahl: Sumpf & Wiese oder Hügel & Gestrüpp. Wir entscheiden uns für das Gestrüpp und mühen uns wieder durch den dichten Wald. Als wir dem Berg endlich näher kommen, tauchen neue Hindernisse auf. Zwischen uns und dem Ráhpaädno liegen noch mehrere Geröllfelder, die wir überqueren müssen. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis wir den Berg erreichen und wieder auf den richtigen Pfad stoßen. Der Umweg hat uns viel Zeit und Kraft gekostet und wir haben erst einen Teil der Tagesetappe geschafft.

Wir lassen den Lulep Spádnek hinter uns, passieren als nächstes den benachbarten Berg Alep Spádnek und nähern uns dann langsam dem Rapaselet – dem zweiten Flußdelta des Ráhpaädno. Der Weg verläuft teilweise kurzzeitig über Bohlenplanken und später durch ein Wäldchen mit Birken und Weidengestrüpp. Die Sträucher stehen hier zum Teil so dicht, dass man Mühe hat, dem Pfad zu folgen. Ich verfange mich mal wieder mit den Seitentaschen meines Rucksacks in den Zweigen. Als wir an einer Stelle vorbei kommen, an der die Weidensträucher nur etwa einen halben Meter hoch sind, macht Alex mal wieder eine Entdeckung: zwischen den Sträuchern liegt ein Elchgeweih. Die beiden mächtigen Schaufeln sind vollständig und gut erhalten, scheinen aber schon länger hier zu liegen.

Langsam wird es Abend und so halten wir Ausschau nach einem geeigneten Lagerplatz. Wir müssen nicht allzu lange suchen. Es gibt eine alte Feuerstelle, die wir nutzen können und genug Platz für das Zelt. Ein Stück weiter gibt es einen Bach, so dass auch für frisches Wasser gesorgt ist. Über dem Rapaselet hängen dichte Wolken, es wird wohl bald Regen geben. Aber das ist keine Überraschung, der Sarek-Nationalpark zählt zu den regenreichsten Regionen Schwedens und Europas. Außerdem sind inzwischen die drei Tage vorüber und das schlechte Wetter vor dem wir in Sitojaure gewarnt worden sind, steht uns bevor. Wir können gerade noch unser Abendessen zu uns nehmen, bevor es anfängt zu nieseln.


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